Rechtsüberholen auf der Autobahn

28.05.2017

Wann ist passives Rechtsüberholen erlaubt?

Thomas fährt auf einer dreispurigen Autobahn auf der Normalspur (rechts) mit 90 km/h. Dabei überholt er rechts ohne zu beschleunigen zwei Fahrzeuge, die sich auf der mittleren Überholspur befinden, weil die beiden Fahrzeuge aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens leicht abbremsen mussten. Auf der von ihm befahrenen rechten Spur herrscht im Gegensatz zu beiden Überholspuren kein dichter Verkehr. Ist dieses Verhalten erlaubt?

Das ständig wachsende Verkehrsaufkommen auf den Autobahnen führt immer wieder zu neuen Herausforderungen für Fahrzeuglenker und Gesetzgeber. Bis anhin wurde Rechtsüberholen auf der Autobahn als grobe Verkehrsverletzung qualifiziert und mit Führerausweisentzug und hohen Geldstrafen geahndet. Eine Ausnahme des Rechtsüberholverbots stellt das erlaubte Rechtsvorbeifahren bei Kolonnenverkehr dar. Nach der Rechtsprechung setzt Kolonnenverkehr dichten Verkehr auf sämtlichen Fahrbahnen und somit ein längeres Nebeneinanderherfahren voraus. Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist aber immer verboten.

In einem jüngeren Urteil passte das Bundesgericht seine Rechtsprechung an die heutigen Verkehrsverhältnisse an. An der Unterscheidung zwischen dem grundsätzlichen Verbot rechts zu überholen und dem erlaubten Rechtsvorfahren wird festgehalten, der Begriff des parallelen Kolonnenverkehrs wird jedoch neu präzisiert.

Das Bundesgericht hält fest, dass gerade zu Stosszeiten häufig auf der Überholspur, im Gegensatz zur Normalspur, dichter Verkehr herrscht. Dies sei auf das zwar verbotene, aber immer häufiger vorkommende notorische Linksfahren zurückzuführen. Dementsprechend sei paralleler Kolonnenverkehr bereits anzunehmen, wenn aufgrund der Verkehrsdichte auf der Überholspur Fahrzeuge nicht mehr schneller vorankommen als jene auf der Normalspur. Des Weiteren hebt das Bundesgericht hervor, dass insbesondere auf Geschwindigkeitsreduzierungen der Fahrzeuge auf der Überholspur, die häufig durch zu dichtes Auffahren und anschliessendes Abbremsen entstehen, nicht mit eigenem Abbremsen reagiert werden muss. Die Fahrt auf der Normalspur kann bei gleichbleibender Geschwindigkeit unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt fortgesetzt werden. Dieses passive Rechtsvorbeifahren bei dichtem Verkehr sei mittlerweile eine alltägliche Situation, die sich kaum vermeiden lässt.

Bezugnehmend auf das Eingangsbeispiel ist das Verhalten von Thomas als rechtskonform einzustufen, da er bei hohem Verkehrsaufkommen ohne zu beschleunigen unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit seine Fahrt auf der Normalspur fortsetzte. Folglich ist das passive Rechtsüberholen ohne zu beschleunigen in solchen Situationen neu erlaubt. Es gilt jedoch festzuhalten, dass Rechtsüberholen mit Beschleunigung und/oder Ausschwenken und Wiedereinbiegen weiterhin verboten ist.